Winteranlass vom 18. Februar 2020 im Hotel Krone Aarburg: Vortrag von Mike Maurer über "das Alphorn im Berner Oberland"

 

Erfreulicherweise konnte der Berner Berufsmusiker und Alphornist Mike Maurer von Bebbi Mühlebach motiviert werden, einen erfolgreichen Vortragsabend aus dem Berner Verband in den Aargau zu exportieren. Mit dem Titel "das Alphorn im Berner Oberland" wurden wir natürlich auch daran erinnert, dass die im Jura gelegenen Kantone der Nordwestschweiz nicht die Wiege der Alphornmusik sind.

 

In seinem geschichtlichen Rückblick erinnerte Mike Maurer daran, dass ähnliche Hörner, zum Teil effektiv aus den Hörnern von Tieren gefertigt, in verschiedensten geografischen Regionen vorgekommen sind, jedoch an den meisten Orten ausgestorben sind. Das aus Tierhorn gefertigte Horn wurde schon früh in Zentralasien nachgewiesen und gehörte eigentlich zu allen Hirtenvölkern. Da ein Horn weiterträgt, als die Stimme, war es prädestiniert für das Anlocken von Tieren. In der Schweiz sind erste Noten 1544 in Appenzell belegt. Im 17. Jahrhundert verschwand das Alphorn, was vor allem darauf zurückzuführen war, dass die Reformation ganz allgemein Tanz und Musik verbot und auch die archaischen Töne des Alphorns den verpönten heidnischen Sachen zuwies. 1681 gab es einen Gerichtsentscheid des Chorgerichts in Bolligen wegen nächtlichem Alphornblasen. Die Wiederentdeckung erfolgte im Zusammenhang mit einer neuerwachten Begeisterung für die Alpen, z.Bsp. im Gedicht von Albrecht von Haller von 1729 mit dem Titel "die Alpen". 1767 gab die neue helvetische Gesellschaft Lavater den Auftrag, Volkslieder zu schreiben. Ende des 18. Jahrhunderts nach dem Zeitalter der Aufklärung kam anfangs des 19. Jahrhunderts die Romantik, welche das Älplerleben verklärte. Franz Niklaus König, Kunstmaler, gab nach dem Abzug der Franzosen Impulse und der Schultheiss Niklaus Friedrich von Mülinen hatte schlussendlich die Idee, 1805 mit dem Unspunnenfest dem Alphorn wieder ein Plattform zu geben. Der Referent erinnerte allerdings daran, dass das erste Unspunnenfest, obwohl es dem Motto "Zur Ehre des Alphorn" gewidmet war, nur zwei Alphornbläser zum aktiven Teilnehmen bewegen konnte.

 

Mike Maurer konnte uns ein 1826 erbautes und in D gestimmtes sogenanntes Urspunnenhorn aus dem klingenden Museum Bern vorführen und anhand seines Klangbeispiels darlegen, dass diese Unspunnenhörner weit vom perfekten Klang unserer heutigen Instrumente entfernt waren.. 1826 fand ein erster Alphornkurs in Grindelwald statt, dem ein Auftrag zum Bau von 6 Alphörnern vorangegangen war. 1827 gab es einen zweiten Kurs, dann versandeten die Bemühungen wieder. Ferdinand Fürchtegott Huber, Trompeter in militärischen Diensten, gab nach 1848 einen neuen Anstoss und Hoteliers auf der Rigi und beim Giessbach unterstützten aus touristischen Motiven das Alphornblasen. Belegt ist in der Folgezeit eine Postkarte von Johannes Brahms an Clara Schumann von 1868. Dieser Besuch motivierte Brahms zum Schluss der Alpensynphonie mit der Melodie, welche in Alphornkreisen unter dem Titel "Hoch auf dem Berg" bekannt ist. Daneben umfassten erste überlieferte Noten 8 Kühreihen.

1895 trat das Alphorn erstmals im Zusammenhang mit einem Schwingfest auf. Der Jodler Oskar Friedrich Schmalz gründete im Emmental eine Alphornkommission und der Herausgeber des Pestalozzikalenders gab dem Verband Geld für 12 neue Alphörner. Der Weissküfer Adolf Oberli von Zwischenflüh im Simmental war im Berner Oberland der erste moderne Alphornmacher- Mike Maurer konnte uns ein Original Oberli Horn vorstellen. Oberli führte die heutzutage gebräuchliche Stimmung in Fis/Ges ein. Es gab aber auch Oberli Hörner in G. Bezüglich der Qualität der Instrumente verwies Maurer darauf, dass bei den alten Eigenbaualphörnern eine Agogik und Dynamik im heutigen Sinne kaum möglich war. Es wurde denn auch in der Regel ohne Noten gespielt, d.h. viel improvisiert. Das Oberli-Horn wird jedoch auch höheren musikalischen Ansprüchen, wie uns eine Klangprobe von Mike Maurer bewies.

 

Strukturierte Alphornvereinigungen treten erst im 20. Jahrhundert auf. Im Jahre 1939 schlossen sich diese dem eidgenössischen Jodlerverband an. Dies im Zusammenhang mit der Landi in Zürich, wo unter den bedrohlichen Wolken des aufziehenden 2. Weltkrieges der Schweizer Geist besonders zelebriert wurde.

In den 30-er Jahren entstand auch das "Alphornbüechli" von A.L. Gassmann, ein erstes Lehrmittel, das von Mike Maurer als eine heute noch gültige Schatztruhe bezeichnet wurde. Unter Bezugnahme auf die entsprechende Schrift unsere Mitglieds Hansjürg Sommer erinnerte der Referent daran, dass die Ursprünge der Alphornmusik eindeutig beim Kührreihen lagen. Mike Maurer, der mit seiner Gruppe Alphorn Experience Quartett auch sehr moderne Interpretationen von Alphornmusik pflegt, legte Wert auf die Feststellung, dass er den Kührreihen als ursprünglicher Darbietungsweise der Alphornmusik höchsten Respekt entgegenbringe. Dagegen ist der Auftritt von Grossformationen erst jüngeren Datums, hat doch erst Robert Körnli mit seinen mehrstimmigen Chorälen in den 1950er-Jahren entsprechende Kompositionen geschaffen, die auf grössere Formationen zugeschnitten waren.

Im Anschluss an das hochinteressante Referat konnten die mitgebrachten historischen Alphörner aus der Nähe betrachtet werden. Beim anschliessenden Apéro gab es ausreichend Gelegenheit für ergänzende Fragen an den Referenten und für das kameradschaftlichte Beisammensein.

 

An diesem Februarabend wussten wir noch nicht, dass dies für längere Zeit unser letzter Vereinsanlass sein würde. Es ist zu hoffen, dass die Rückbesinnung auf die Tradition des Kührreihens für unsere Mitglieder genügend Motivation war, sich während der Zeiten der coronabedingten Einschränkungen wie unsere Vorfahren an den Waldrand zu stellen, um dem weidenden Vieh zur Abendstunde die schönen Melodien der einschlägigen Reihen darzubringen.                                                                     BH