Winteranlass vom 18. Januar 2023 zum Thema Trachten

Bericht in Imhofs Wystübli, Sissach

Trotz Wintereinbruch und Schneegestöber fanden 2 Dutzend unserer Mit­glieder den Weg nach Sissach, wo uns die Trachtenschneiderin Marianne Gysin interessante Einblicke in ihre Tätigkeit vermittelte. Von den 700 Trachten der Schweiz hat sie sich auf diejenigen des Kantons Basel-Landschaft spezialisiert. Im Speziellen stellte sie die verschiedenen Trachten aus den Kantonen AG, SO, BL und BS vor. An mitgebrachten Puppen und Bildern zeigte sie die typischen Merkmale und Unterschiede zwischen Sonntags-, Festtags- oder Werktagtracht auf. Viele Fragen konnte Marianne Gysin beantworten. Aber auf einige gibt es keine schlüssige Antwort, weil in der Schweiz eine grosse «Trachtendiversität» herrscht und darum die Trachten regional und aufgrund ihrer Traditionen sehr unterschiedlich getragen werden. Sie erinnerte in geschichtlicher Hinsicht daran, dass das Wort Tracht von Tragen kommt und sich auf das bezieht, was man an Kleidern am Werktag, Sonntagen und besonderen Festtagen zur Schau trägt. Während Adel und Städter auch in der Geschichte immer auf der Suche nach der aktuellsten Mode waren, ging es auf dem Land behäbiger zu. Zudem galt es, Einschränkungen durch obrigkeitliche Kleidungsvorschriften zu beachten. Für das nicht adlige Landvolk waren die eher raueren Stoffe aus lokaler Herkunft, gefertigt aus Flachs, Wolle und Leinen vorgesehen. Aufgrund der örtlichen Besonderheiten war die Tracht quasi ein öffentlich getragener Heimatschein. Einen Aufschwung erfuhr das Trachtenwesen mit der Gründung der modernen Eidgenossenschaft im Jahre 1848, die neben der Aufbruchstimmung auch eine Sehnsucht nach heiler Welt und Bewahrung der lokalen Besonderheiten gefördert hat. Das Wissen wurde allerdings über Generationen in der Familie und von Schneiderin zu Schneiderin weitergegeben. Erst im Jahre 1932 wurden erstmals Richtlinien für die basel-landschaftliche Tracht von der Trachtenstelle definiert. Demnach gibt es im Kanton Basel-Land 15 verschiedene Trachten. Der Unterschied von Stadt und Land manifestiert sich z.Bsp. darin, dass in der noblen Stadt Basel Goldfäden zugelassen waren, während sich die umliegende Landschaft mit Silberfäden begnügte. Eine anwesende Trachtenfrau aus der Stadt Basel machte uns dann auf ein paar Kuriositäten aufmerksam: In der Stadt wird die glänzende Seide des Stoffs nach Innen getragen nach der Devise: Man zeigt nicht, was man hat. Die Männertracht hat in Basel-Stadt traditionell auch keine Taschen, nach dem Motto: Man gibt nicht gern. Aus der Innerschweiz ist der Spruch: "Unter die Haube kommen" bekannt, da dort erst die verheirateten Frauen die Trachtenhaube tragen durften, während für die Ledigen ein einfacherer Kopfschmuck vorgesehen war.

Interessant waren auch Mariannes Ausführungen über die Ausrüstung der Ehrendamen am Eidgenössischen Schwingfest in Pratteln: Es brauchte beträchtlichen Aufwand, für alle 15 Ehrendamen eine korrekte Tracht mit allen Details der 14 Bestandteile, wie dem kostbar bestickten Halstuch und dem übrigen Schmuck zu beschaffen. Da mussten alle Details stimmen bis zum korrekten Abstand von 30 cm zwischen Schuh und Rocksaum.

Im Weiteren vermittelte uns die Trachtschneiderin elementare Grundregeln: Die Haare sollten die Tracht nicht berühren, weshalb hochgesteckte Frisuren üblich sind. Hüte werden in der Regel auf dem Kopf getragen und sollten insbesondere bei Strohhüten nicht auf dem Rücken baumeln. Von dieser Regel gibt es wenige Ausnahmen, z.Bsp. im Kanton Fribourg. Zur Tracht gehört ein dezentes Schminken, weshalb grelle Farben auf Lippen und Fingernägeln verpönt sind. Für Männer und Frauen gleichermassen deplatziert sind Sonnenbrillen und unpassende Schuhe. Die meisten Trachten sind langärmlig. Wenige regionale Ausnahmen wie z.Bsp. in Appenzell bestätigen diese Regel.

Das Trachtenwesen in der Schweiz kämpft wie viele andere Traditionen auch ums Überleben. Trachtenschneiderinnen sind dünn gesät. Die Beschaffung der edlen Stoffe ist aufwendig und teuer. Die Vorstellung von einer Tracht wandelt sich und das Angebot aus dem Ausland von Pseudotrachten ist gross und vor allem günstig.

Trachten mögen die Waschmaschine nicht. Marianne Gysin gab auch Hinweise, wie man Trachten pflegt und in gutem Zustand halten kann. Statt sie nach jedem Tragen zu waschen, erträgt die Tracht das Auslüften besser.

Mit vielen Fragen aus dem Publikum zu Details wie Schnallen, Schmuck und Stickereien ergaben sich zum Abschluss interessante Gespräche. Das von Marianne Gysin eingekleidete Jodlerchörli Wildenstein gab zum krönenden Abschluss in seiner gediegenen basellandschäftler Tracht einen schönen Jodlervortrag zum Besten. Danach durften zum Apéro die Weine des Gastgebers Imhof gekostet werden, von denen dem Berichterstatter der Muscat besonders gefiel. Nach anregenden Diskussionen verabschiedeten sich die Teilnehmer in die Winternacht, gut vorbreitet zum Bereitstellen der korrekten Tracht für das kommende Eidgenössische Jodlerfest in Zug.

                                                                                                          BH/JM